Jugendstil

Der erste Bereich zeigt eine große Anzahl Exponate, die direkt auf der Weltausstellung in Paris erworben wurden. Der damalige Direktor Richard Graul legte mit dem Ankauf von 150 Objekten den Grundstock für die Jugendstilsammlung unseres Hauses und gab gleichzeitig einen Richtungswechsel vor: Die Hinwendung zur angewandten Kunst seiner Zeit. Die Weltausstellung mit ihren 80.000 Ausstellern aus 40 Ländern bot ihm eine „Auswahl moderner Arbeiten, die wirklich charakteristisch für unsere veränderte Empfindung unserer Zeit sind“. Mit einem relativ knappen Budget, aber Sachkenntnis und Kennerblick, gelang Richard Graul eine repräsentative Zusammenstellung von Objekten der innovativsten Künstler und Manufakturen der Zeit.

Das wohl spektakulärste Stück ist der große Brustschmuck von René Lalique, dessen Schmuckkreationen schon auf der Weltausstellung große Menschenmengen anzogen. Es ist ein Meilenstein der Schmuckkunst und zeigt stellvertretend einen Paradigmenwechsel vom materiellen, hin zum künstlerischen Wert.

Ausstellungsansicht: links stehen zwei Personen vor einer orangenen Wand, rechts stehen zwei Personen vor einer Vitrine, im Vordergrund 3 weiße Skultpturen

Art déco

Elegant-abstrahierte Formen, die Freude am phantasievoll-schmückenden Dekor und an leuchtenden Farben sowie edle und kostbare Materialien mit einer mondänen, sinnlichen Wirkung – das sind Merkmale, die dem Art déco zueigen sind. Es widerspiegelt ein nach dem Ersten Weltkrieg neu erwachtes Luxus-Bedürfnis, dem erst der Zweite Weltkrieg weitgehend ein Ende bereitete. Die erst ab 1966 gebräuchliche Bezeichnung „Art déco“ – was nichts anderes als schmückende, dekorative Kunst bedeutet – leitet sich vom Titel der 1925 in Paris veranstalteten Ausstellung „Internationale des Arts Décoratifs“ ab. Diese „kleine Weltausstellung“ verschaffte der neuen Gestaltung außerordentliche Aufmerksamkeit und markierte ihren Durchbruch.

schwarz-weiß Fotografie des Museumsgebäude von der (heutigen) Prager Straße; links-mittig der große zweifache Schriftzug Kunstgewerbe

Historische Grassimessen

Eine beachtliche Anzahl von Exponaten kamen durch die Grassimessen in die Sammlung. Von Richard Graul erstmals 1920 ins Leben gerufen, waren die Verkaufsmessen ab diesem Zeitpunkt das eindeutige Bekenntnis zur zeitgenössischen Gestaltung. Zweimal im Jahr, parallel zur großen Mustermesse in Leipzig, präsentierten sich namhafte, internationale Kunsthandwerker und Kunsthanderker sowie Unternehmen und kleinere Manufakturen in den Räumen des Museums, das sich so bald zum „Treffpunkt der Moderne“ etablierten sollte.

Heute stellt sich ein vielfältiges Bild dar, zusammengestellt aus unterschiedlichsten Objektarten und Materialien. Es spiegelt auf einzigartige Weise die Gleichzeitigkeit zahlreicher Strömungen sowohl hinsichtlich der internationalen Entstehungsorte als auch der stilistischen Prägung.

Historische Grassimesse

Vereinigte Lausitzer Glaswerke

Einen Eindruck von Anspruch und Erscheinungsbild der Grassimessen der 1930er Jahre bietet eine Adaption des historischen Messestands der Vereinigten Lausitzer Glaswerke Weißwasser (VLG) in Gestalt eines gläsernen Kubus. Beinahe an selber Stelle wurde dieser Stand der VLG über mehrere Jahre genutzt und daher aufwändig konzipiert. Die innovativen Glasserien des damaligen Chefdesigners der VLG, Wilhelm Wagenfeld, sollten wirkungsvoll und neuartig präsentiert werden. Daher wurde Lilli Reich, eine äußerst erfolgreiche Innenraumgestalterin, mit dem Entwurf für das Standmobiliar beauftragt. Noch heute beeindruckt die Modernität der eleganten, etageren-artigen Präsentationsflächen und die puristischen Tischkonstruktionen, die eine ästhetische Einheit mit den Exponaten bilden. Diese wiederum sind Zeugnis einer Neuausrichtung, für die Wilhelm Wagenfeld verantwortlich war. Er gab dem Gebrauchsglas der VLG eine innovative Richtung mit strengen Formen und ohne Dekor.

Ausstellungsansicht: in der Mitte ein weißes Küchenbufett, links eine Küchenzeile und ein Stuhl, rechts Kindermöbbel

Funktionalismus

Funktionalität, Zweckmäßigkeit und Materialgerechtigkeit sind in den 1920er und 1930er Jahren allgemeine Forderungen von Architektinnen und Architekten und Künstlerinnen und Künstlern an Bauwerke und Gebrauchsgerät. Dieses neue Formenverständnis ist Ausdruck eines Zeitgeistes, in dem Wissenschaft, Technik, Maschine und Geschwindigkeit zunehmend den Alltag bestimmen. Die Gründung des Bauhauses 1919 durch den Architekten Walter Gropius ist impulsgebend für diese Entwicklung. Zielstrebig verfolgt die Schule die Modellentwicklung für die Serienproduktion und die Zusammenarbeit mit der Industrie. Innovative, revolutionäre Bautechniken und Materialien ermöglichen die Umsetzung dieser Prinzipien des „Neuen Bauens“ und „Neuen Wohnens“.

Funktionalismus

Das Bauhaus im GRASSI

Die vom Funktionalismus bestimmte Moderne als dritter Themenschwerpunkt wird insbesondere durch das Bauhaus und sein Umfeld vertreten. Das Museum pflegte mit dem Bauhaus ebenso wie mit der Burg Giebichenstein bereits frühzeitig intensive Kontakte, die sich selbstverständlich auch in den Sammlungsbeständen niederschlugen.
Bereits ab 1924 nahm das Bauhaus mit seinen neuen Produkten an den Leipziger Grassimessen teil und schon ein Jahr darauf erwarb man eine Weinkanne von Christian Dell. Die aus Silber getriebene Kanne entstand, als die Metallwerkstatt des Bauhauses noch von Johannes Itten geleitet wurde. Die etwas später entstandenen Exponate der Metallklasse verraten hingegen den Einfluss ihres neuen Leiters Laszlo Moholy-Nagy, der die Metallklasse als Modelllabor für die Industrie verstand. Von Marianne Brandt stammt die schlichte Konfektdose, die auf der Ausstellung „Europäisches Kunstgewerbe 1927“ in einer Vitrine der Pfeilerhalle im Kontext weiterer Bauhaus­-Metallarbeiten präsentiert wurde. Ihre Entwürfe wurden auch von der Leipziger Leuchtenfabrik  Körting & Mathiesen (Kandem) realisiert.

Weitere Beispiele für die Zusammenarbeit mit der Industrie und dem Bauhaus und ihren Schülern und Schülerinnen finden sich u. a. in den Erzeugnissen der Berliner Porzellanmanufaktur, in den Glaswerken Schott & Gen. Jena und der VLG Weißwasser.

1940er bis 1970er Jahre, Foto: Esther Hoyer

1940er bis 1970er Jahre

Die Nachkriegszeit ist geprägt vom Mangel. Als „Stunde Null“ wird sie aber auch als Chance für den Neubeginn betrachtet. Im inzwischen geteilten Deutschland spielt in den Nachkriegsjahren der Begriff der „Guten Form“ eine große Rolle. Er umschreibt Produkte in sachlicher, funktionaler und dennoch ästhetisch gültiger und zeitloser Formgebung.

Faltblatt Porzellankannen 1950er/60er Jahre (PDF)

1940er bis 1970er Jahre

DDR-Design

Heute kann das Museum auf eine umfangreiche Sammlung von ostdeutschem Design blicken. Sie ist jedoch zum größten Teil erst nach der Wiedervereinigung entstanden – in den Jahren der deutschen Teilung wurde im Museum vornehmlich Kunsthandwerk gesammelt und aktiv durch zahlreiche Ausstellungen befördert.

Sowohl im ost-westdeutschen Verhältnis, wie auch im internationalen Vergleich haben sich in den ersten Nachkriegsjahren parallele Entwicklungen abgezeichnet, die in erster Linie mit dem Wiederaufbau und den damit verbundenen sozialen Fragestellungen in Zusammenhang stehen. Wie sollte die Zukunft des Wohnens aussehen? Wie die neuen Produktionsprozesse, die dem steigenden Bedarf nachkommen mussten? Die „gute Form“ war in Ost wie West die Antwort, sie resultierte aus den jeweiligen Anforderungen an die industrielle Gestaltung und beinhaltete gleichzeitig einen moralischen Anspruch. Wenngleich in der DDR die Diskussion um den Formalismus den Prozess verzögerte, setzten sich in den neuen Industriegesellschaften die Maximen der sachlich funktionellen, materialgerechten, schnörkel- und zierlos gestalteten Formenwelt durch. Ein weiterer Themenbereich ist dem System-Design gewidmet, auch hier finden sich Designlösungen die in Ost wie West mehr Parallelen als Unterschiede aufzeigen.

1970er Jahre bis Gegenwart, Foto: Esther Hoyer

1970er Jahre bis Gegenwart

Seit Ende der 1970er Jahre tritt der Künstler und Designer als Individualist noch stärker in den Vordergrund. Vertreter des sogenannten „Neuen Designs“ setzen der vorherrschenden sachlichen Ästhetik ausgefallene Formen und ungewöhnliche Materialien entgegen. Im Laufe der 1990er Jahre erfährt das Design wieder eine ästhetische Beruhigung. Designer suchen nach effizienten, umweltfreundlichen Herstellungsmöglichkeiten und neuen Materialien.

1970er Jahre bis Gegenwart

Studiokeramik und Studioglas

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts beschritten die künstlerische Keramik wie auch das künstlerische Glashandwerk neue Wege. Weg vom primär funktionsorientierten hin zum betont künstlerischen Gefäß mit hohem ästhetischem Eigenwert, zur Skulptur oder gar zur Installation. Plastische Qualität und sinnliche Anmutung wurden als Emanzipation vom reinen Nutzwert verstanden. Um frei von den Zwängen der Glas- und Keramik-Manufakturen arbeiten zu können, begannen immer mehr Künstlerinnen und Künstler, sich in ihren Werkstätten eigene Brenn-und Schmelzöfen zu bauen. Die Vorstellung dieser jungen Generation von Kunsthandwerkern war es, nur in der experimentellen Auseinandersetzung mit dem Material neue Ideen zu entwickeln. Erst die konkrete Handhabung von Glas und Ton sollte den kreativen Prozess in Gang setzen. Das Museum besitzt im Bereich der internationalen Studiokeramik eine inzwischen weltweit einzigartig breite Sammlung. In der Ständigen Ausstellung kann sie nur in Ansätzen eine Vorstellung davon geben.

1970er Jahre bis Gegenwart

Die neuen Grassimessen

Nach der Wiedervereinigung war der Wunsch groß, die legendären Grassimessen wieder aufleben zu lassen. Seit 1997 werden sie wieder einmal im Jahr, jeweils im Oktober, abgehalten und ziehen ein großes Publikum an. Die heutigen Grassimessen sind ein Spiegel des zeitgenössischen Kunsthandwerks und des Designs und bieten mit ihrer internationalen Ausrichtung eine Selektion auf höchstem Niveau. Erwerbungen auf der Messe sind auch heute wieder ein Grundpfeiler der Sammlungspolitik und führen dazu, dass die Ständige Ausstellung in ihrem letzten Bereich flexibel bleibt. In regelmäßigen Abständen finden Neuerwerbungen den Weg in die Ständige Ausstellung und tragen dazu bei, relevante Diskurse wie z. B. um den Wert des Handwerks und seine Transformationen, Einflüsse der Digitalisierung oder Fragen der Kontextualisierung lebendig zu halten.

Sinneslandschaften, Foto: Felix Bielmeier

Sinneslandschaften

Das Museum wagt am Ende der Ständigen Ausstellung ein Experiment. An Stelle der klassischen Präsentation von Objekten steht eine interaktive Rauminstallation. Das Projekt lädt die Besuchenden ein, sich in einem computergenerierten Raum zu bewegen.

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