Geschichte und Architektur

Das beleuchtete Gebäude des Grassimuseums bei Nacht

Das 1925 bis 1929 errichtete Grassimuseum zählt zu den wenigen großen deutschen Museumsbauten in der Weimarer Republik. Für das geschichtsträchtige Areal zwischen Altem Johannisfriedhof und Johannisplatz entwarf der Leipziger Stadtbaurat Hubert Ritter in Verbindung mit dem Architekturbüro Zweck und Voigt eine weitläufige Anlage. Der Grundriss ist der Tradition des europäischen Schlossbaus verpflichtet. In der Architektur verbindet sich eine klare, funktionalistisch orientierte Formensprache mit den expressiven Schmuckformen des Art déco. Weithin sichtbar ist die Dachbekrönung, die „goldene Ananas“. Auch die 1927 realisierte Pfeilerhalle – das beeindruckende Herzstück des Hauses – wird von diesem Zackenstil geprägt. Der rationalen Idee des Bauhauses verpflichtet ist hingegen die Gestaltung der 18 hohen Fensterflächen des Haupttreppenhauses, die Josef Albers 1926 entwarf.

In der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember 1943 wurde der Museumskomplex durch Brand- und Sprengbomben schwer zerstört. Enttrümmerungs- und Sanierungsarbeiten begannen schon unmittelbar nach Kriegsende und auch erste provisorische Ausstellungen konnten bereits 1949 eröffnen. Doch zu DDR-Zeiten wurden lediglich die notwendigsten Maßnahmen zur Erhaltung des Gebäudes durchgeführt.

In den Jahren 2001 bis 2005 konnte der Gebäudekomplex grundlegend saniert werden und strahlt seither in „neuem“ alten Glanz. Mit seinen Innenhöfen und dem angrenzenden parkähnlichen Alten Johannisfriedhof stellt das Areal einen einzigartigen kulturellen Anziehungspunkt und zugleich einen Ort der Ruhe und Entspannung am östlichen Rand der Innenstadt dar.

Der Name des Grassimuseums leitet sich von Franz Dominic Grassi (1801-1880), einem Leipziger Kaufmann italienischer Herkunft, ab. Nach seinem Tod vererbte er der Stadt Leipzig ein Vermögen von mehr als zwei Millionen Mark, von dem zahlreiche Bauvorhaben, Parkanlagen und Denkmäler gefördert und realisiert wurden. In den Jahren 1892 bis 1895 wurde das alte Grassimuseum erbaut. Ursprünglich beherbergte es das Museum für Völkerkunde zu Leipzig und das Kunstgewerbemuseum Leipzig. Heute befindet sich die Leipziger Stadtbibliothek in diesem Gebäude.

Video-Serie Architektur Factsheet zum Museum (pdf)
 

Bewegte Museumsgeschichte

Schwarz-weiß Fotografie eines Eckgebäudes in einer Straßenzeile; erster Sitz des Kunstgewerbemuseums Leipzig

1874

Eröffnung als zweites Kunstgewerbemuseum Deutschlands

schwarz-weiß Fotografie des neu gebauten Grassi-Museums (heute Stadtbibliothek)

1892-95

Bau des ersten Grassimuseums am heutigen Wilhelm-Leuschner-Platz (heutige Stadtbibliothek), finanziert aus dem Vermächtnis des Leipziger Kaufmanns und Mäzens Franz Dominic Grassi. Der Neubau wurde nach Plänen des Stadtbaurats Hugo Licht errichtet und sollte dem Kunstgewerbemuseum sowie dem Völkerkundemuseum einen würdigen Raum geben.

schwarz-weiße Fotografie des Prof. Dr. Richard Graul, er sitzt auf einem Stuhl, trägt Anzug und Brille und raucht eine Zigarre; von der Seite fotografiertt

1896

Prof. Dr. Richard Graul (1862–1944) leitete das Kunstgewerbemuseum von 1896 bis 1929. Seine vielseitigen Aktivitäten prägten das Museum und die Sammlungsstruktur grundlegend und nachhaltig.

schwarz-weißes Luftbild des neu gebauten Grassi-Museums, unten die Johanniskirche

1925-1929

Bau des neuen Grassimuseums am Johannisplatz als eines der modernsten Museums-Ensembles der Zeit.

Video über die Museumsarchitektur

schwarz-weiß Fotografie des Museumsgebäude von der (heutigen) Prager Straße; links-mittig der große zweifache Schriftzug Kunstgewerbe

1926

Die seit 1920 ausgerichteten Grassimessen waren seit 1926 im Flügel an der Hospitalstraße (heute Prager Straße) zu Hause. Hier ging die Elite der Kunsthandwerker und Gestalter ein und aus.

schwarz-weiß Fotografie der Pfeilerhalle, links und rechts die Pfeiler, in der Mitte leere Ausstellungsfläche und zwei große Zugangstüren

1927

Die Pfeilerhalle wird anlässlich der Sonderausstellung "Europäisches Kunstgewerbe" eröffnet. Die Ausstellung erstreckt sich auch auf andere Räume des noch unvollendeten Museumsbaus.

schwarz-weiß Fotografie des zerstörten Gebäudes, Dach fehlt, nu die Stahlkonstruktion ist zu sehen, links und rechts Schuttberge

1943–1945

Während des Zweiten Weltkrieges wird das Grassimuseum schwer zerstört und schon 1939 kriegsbedingt geschlossen. Große Teile der Sammlung werden ausgelagert.

schwarz-weiß Fotografie des zerstörten Gebäudes vom Innenhof, fehlendes Dach und zerstörte Fenster erkennbar,

1946–1950

Im Krieg erlittene Gebäudeschäden wurden nur notdürftig behoben. Wesentliche Teile des Gebäudekomplexes wurden nach dem Krieg an eine Reihe von Fremdnutzern vermietet.

1952

Eröffnung einer reduzierten Ständigen Ausstellung in fünf von einst dreißig Schauräumen. Durch den fortschreitenden baulichen Verfall seit 1945 konnte der Museumsbetrieb nur sehr eingeschränkt fortgeführt werden. Das Museum verlor seine weitreichenden organisch gewachsenen Verbindungen und sein internationales Publikum.

schwarz-weiß Fotografie des Gebäudes vom Innenhof betrachtet

1981

Auf Grund einer Heizungshavarie musste die bisher gezeigte Ständige Ausstellung Anfang der 80er Jahre gänzlich schließen.

schwarz-weiß Fotografie einer Ausstellungsansicht, im Vorgerund eine große Vitrine mit Objekten

1994

Ab 7. Oktober 1994 konnte nach zwölfjähriger Unterbrechung auf bescheidener Fläche in fünf erneuerten Räumen europäisches Kunsthandwerk vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert ständig präsentiert werden. Jedoch lagerten 99 % der Bestände noch immer in Depots.

Außenansicht eines Gebäudes in der Leipziger Innenstadt, Interimsgebäude

2000-2005

Der gesamte Grassikomplex wird bis 2005 rekonstruiert. Das Museum für Kunsthandwerk hat das Gebäude für diesen Zeitraum verlassen und zog Anfang 2001 in ein Interim in der Leipziger Innenstadt.

2007

Wiedereröffnung des Museums nach seiner umfassenden Sanierung und Modernisierung. Eröffnung des ersten, 30 Räume umfassenden Ausstellungsrundgangs Antike bis Historismus der neu konzipierten Ständigen Ausstellung.

Ausstellungsansicht: abgedunkelter Raum, rechts ein asiatischer Paravent, in der Mitte eine Vitrinen mit einem roten Objekt, im Hintergrund weitere Objekte und Sitzgelegenheiten

2010

Eröffnung des zweiten Ausstellungsrundgangs Asiatische Kunst. Impulse für Europa.

Fotografie der Pfeilerhalle, links und rechts die Pfeiler, in der Mitte leere Ausstellungsfläche und zwei große Zugangstüren

2010

Abschluss der vollständigen Rekonstruktion der Pfeilerhalle, mit den typischen Art déco-Elementen.

Video über die Pfeilerhalle

Fünf rechteckige, vertikal aufgestellte Buntglasfenster

2011

Rekonstruktion der Treppenhaus-Fenster von Josef Albers – die weltweit größte Flächenglas-Gestaltung eines Bauhauskünstlers.

Video über die Albers-Fenster

Stahlrohrmöbel in der Dauerausstellung, Foto: Karola Bauer

2012

Eröffnung des dritten und letzten Ausstellungsrundgangs Jugendstil bis Gegenwart.

Treppenhaus, im Hintergrund eine Reihe länglicher Buntglasfenster, im Vordergrund eine goldene Leuchte auf dem Treppenansatz

2015

Die historischen Leuchten im Treppenhaus wurden rekonstruiert.

Animation eines neuen Gebäudes aus Backsteinen vor dem Grassimuseum

2018

Die Vision eines Museumsanbaus auf dem Johannisplatzes wird in der Sonderausstellung GRASSI FUTURE diskutiert.

Gebäudeansicht; Treppenturm von außen

2021-2022

Die einjährige Sanierung der beiden Treppentürme ist abgeschlossen.

Detailaufnahme der goldenen Buchstaben, die den Museumsnamen am Gebäude bilden

2023/24

Das Museum wird das 150. Jubiläum seiner Gründung (1873) sowie seiner Eröffnung (1874) begehen.

Impressionen